Pflichtteilsberechnung: Den Pflichtteil richtig berechnen

Der Pflichtteil gibt dem Pflichtteilsberechtigten eine Mindestbeteiligung am Nachlaß in Höhe der Hälfte des Werts des gesetzlichen Erbteils. Der Wert des Pflichtteils wird also bestimmt durch

  • die Pflichtteilsquote
  • den Wert des Nachlasses am Todestag des Erblassers.

Berechnen Sie Ihren Pflichtteilsanspruch direkt mit unserem Pflichtteilsrechner.

1. Pflichtteilsberechtigte

Pflichtteilsberechtigte sind nur

  • der Ehegatte des Erblassers
  • die Kinder des Erblassers
  • die Eltern des Erblassers, wenn keine Kinder oder Enkel (bzw. Urenkel usw.) vorhanden sind
  • gleichgeschlechtliche Lebenspartner des Erblassers nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz.

2. Ermittlung der Pflichtteilsquote

Die Pflichtteilsquote beträgt die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils, den der Pflichtteilsberechtigte erhalten würde, wenn er nicht enterbt worden wäre.

Pflichtteilsquote = fiktiver gesetzlicher Erbteil / 2

a) Pflichtteilsquote des überlebenden Ehegatten

Der Erbteil des Ehegatten (die Hälfte hiervon ist die Pflichtteilsquote) richtet sich nach dem ehelichen Güterstand und der Anzahl der Verwandten. Es ist zwischen dem gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft und den nur mit Ehevertrag wählbaren Güterständen der Gütertrennung oder Gütergemeinschaft zu unterscheiden.

Ist der Ehegatte im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft aber nicht Erbe oder Vermächtnisnehmer geworden, hat er nur – wenn Kinder vorhanden sind – einen gesetzlichen Erbteil von 1⁄4, also einen kleinen Pflichtteil von 1/8 (sowie unter Umständen einen Anspruch auf Zugewinnausgleich).

b) Pflichtteilsquote von Kindern

Die Pflichtteilsquote der Kinder hängt von dem Erbteil des Ehegatten ab. Daher ist immer erst der Erbteil des Ehegatten, dann derjenige der Kinder festzustellen. Mehrere Kinder erben zu gleichen Teilen. Ist ein Kind vor dem Tod des Elternteils vorverstorben, erben dessen Kinder (also die Enkel) kraft eigenen Erbrechts.

Beispiel: Der Erblasser war mit seiner Frau im gesetzlichen Güterstand verheiratet. In seinem Testament hat er seine Frau zur Alleinerbin eingesetzt. Die beiden gemeinschaftlichen Kinder wurden enterbt. Pflichtteilsquote der Kinder:

  • Erbteil Ehefrau 1/2
  • Gesetzlicher Erbteil beider Kinder insgesamt 1⁄2, jedes Kind also 1⁄4, Pflichtteilsquote der Kinder also je 1/8.

c) Übersicht Erb-und Pflichtteilsquote

  Ansprüche des überlebenden Ehegatten Pflichtteil je Kind nach dem Tode des ersten verheirateten Elternteils
  Verwandte der
1. Ordnung nach
Anzahl der Kinder
Nur Verwandte 2. Ordnung  
  1 2 3   bei 1 Kind bei 2 Kindern bei 3 Kindern
Zugewinngemeinschaft              
Gesetzliche Erbquote bei erbrechtlicher Lösung („Normalfall“)   1/2
(1/4+1/4)
  3/4
(2/4 + 1/4)
1/4 1/8 1/12
Großer Pflichtteil   1/4   3/8      
Güterrechtliche Lösung   1/8+ZGA*   1/4+ZGA* 3/8 3/16 3/24 (1/8)
Gütertrennung              
Gesetzliche Erbquote 1/2 1/3 1/4 1/2 1/4 1/6 3/24 (1/8)
Pflichtteil des Ehegatten 1/4 1/6 1/8 1/4      
Gütergemeinschaft              
Gesetzliche Erbquote   1/4   1/2 3/8 3/16 3/24 (1/8)
Pflichtteil des Ehegatten   1/8   1/4      

* ZGA = Etwaiger Zugewinnausgleich

3. Nachlaßwert am Todestag des Erblassers

Der Wert des Pflichtteils ergibt sich aus der Pflichtteilsquote vom Wert des Reinnachlasses des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes. Der Reinnachlaß folgt aus dem „Haben“ (Aktiva) und den Schulden (Passiva).

Der Erbe streitet daher oft mit dem Pflichtteilsberechtigten, welche Aktiva und Passiva im Nachlaß vorhanden sind. Der Erbe spielt den Wert der Aktiva herunter, der Pflichtteilsberechtigte die Passiva. Was also zählt hierzu? Übersicht:

a) Aktivnachlaß

Zum Aktivnachlaß zählen alle vermögensrechtlichen Positionen des Erblassers am Todestag.

Beispiele:

  • Grundstücke (Grundbucheintragung entscheidet).
  • Unternehmen oder Beteiligungen.
  • persönliche Habe.
  • Bargeld.
  • Sammlungen, Wertgegenstände, z.B. PKW.
  • Guthaben bei Kreditinstituten nebst Zinsen, auch Schwarzgeld.
  • Oder-Konto bzw. Und-Konto zwischen Erblasser und einer anderen Person: Hier zählt regelmäßig die Hälfte des Guthabens zum Aktivnachlaß.
  • Forderungen des Erblassers, auch wenn sie gegen den Erben gerichtet waren.
  • Der Nachlaß von Ehegatten in Gütergemeinschaft besteht regelmäßig aus der Hälfte des Gesamtguts der Ehegatten und aus dem Vorbehalts- und Sondergut des Erblassers.
  • Geldwerte Persönlichkeitsrechte (Vermarktung von Name, Bild, Ruf).
  • Bausparvertrag.
  • Steuerrückerstattungsansprüche für den Veranlagungszeitraum vor dem Todesjahr und das abgelaufene Rumpfsteuerjahr.

Nicht zu Aktiva zählen beispielsweise:

  • Laufende (nicht rückständige) Forderungen auf Gehalt, Rente, Miete, Pacht. Dies sind Einkünfte.
  • Bedingte, unsichere und zweifelhafte Rechte, § 2313 Abs. 1 BGB (Beispiel: Eine Nachlaßforderung ist vor Gericht umstritten). Fällt die Ungewißheit weg, hat eine Nachzahlung an den Pflichtteilsberechtigten zu erfolgen.
  • Angelegte Kautionen des Erblassers als Vermieter.
  • Geleaste Gegenstände.
  • Zu Lasten von Kindern und Eltern Gegenstände, die zum Voraus des Ehegatten zählen. Dies ist nur der Fall, wenn der Ehegatte gesetzlicher Erbe wird.
  • Alle Vermögenspositionen, die nicht vererblich (höchstpersönliche Rechte).
  • Alle Vermögenspositionen, die mit dem Tode des Erblassers erlöschen (Beispiele: Nießbrauch, Wohnrecht).
  • Alle Vermögenspositionen, die außerhalb der Erbfolge übergehen (Beispiel: Vertrag zugunsten Dritter, insbesondere die begünstigende Lebensversicherung).
  • Das Vermögen einer Vorerbschaft des Erblassers, bzw. eine Erbschaft oder ein Vermächtnis des Erblassers, das er fristgemäß ausschlägt.

b) Passivnachlaß

Faustregeln:

  • Vom Aktivnachlaß sind die Schulden des Erblassers am Todestag abzuziehen. Nach dem Erbfall entstandene Schulden nur, soweit sie spätestens am Todestag entstanden oder angelegt waren.
  • Im Ergebnis keine Rolle spielen Schulden, soweit sie wirtschaftlich nicht bestehen. Das ist der Fall, wenn der Schuld auf der einen Seite eine Forderung auf der anderen Seite gegenübersteht, etwa Erstattungs-, Regreß- und Freistellungsansprüche. Beispiel: Krankenhauskosten des Erblassers, die von der Krankenkasse erstattet werden.
  • Schulden, die der Erbe wegen einer Einrede nicht bezahlen muß, gehen nicht zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten. Beispiel: Ein Klempner macht eine verjährte Reparaturrechnung geltend. Das gilt auch dann, wenn der Erbe sie bezahlt.

Beispiele für abzugsfähige Schulden:

  • Notwendige Anwalts- und Gerichtskosten, wenn der Erbe das Verfahren im Nachlaßinteresse führt. Kosten eines Erbscheinsverfahrens sind nur abzugsfähig, wenn es vom Pflichtteilsberechtigten ohne berechtigten Anlaß betrieben wurde. Anwaltskosten des Erben für die Pflichtteilsberechnung sind nicht abzusetzen.
  • Auskunfts- und Wertermittlungskosten für Nachlaßgegenstände.
  • Angemessene Beerdigungskosten (auch Trauerkleidung, Grabkosten – ohne Grabpflege-, Leichenschmaus).
  • Darlehen mit dem Stand am Todestag nebst angefallener Zinsen. Bei kreditsichernden Lebensversicherungen gelten Besonderheiten.
  • Gesamtschulden, soweit sie der Erblasser gegenüber seinem „Mitschuldner“ zu tragen hat. Bei Ehegatten ist die Schuld im Zweifel zu halbieren. Hat der Erblasser aber als Alleinverdiener die Schuld gegenüber seinem Ehepartner zu tragen, ist sie voll anzusetzen.
  • Grundschulden und Hypotheken nur, soweit die gesicherte Forderung (Beispiel: der Kredit) noch offen ist und der Gläubiger die Sicherheiten in Anspruch nehmen will.
  • Kosten für die Nachlaßverwaltung-, sicherung,- und pflegschaft, die Inventarerrichtung, die Ermittlung der Nachlaßgläubiger, das Aufgebotsverfahren, das Gläubigeraufgebot und solche des vorläufigen Erben.
  • Testamentsvollstreckungskosten bleiben grundsätzlich unberücksichtigt. Ein Abzug ist geboten, soweit die Vollstreckung dem Pflichtteilsberechtigten einen Vorteil bringt. Beispiel: Der Erbe erspart durch die Vollstreckung Kosten für die Feststellung und Sicherung des Nachlasses, die der Pflichtteilsberechtigte sonst anteilig zu tragen hätte.
  • Nießbrauch, Wohnrecht und Leibgeding, die mit ihrem Kapitalwert anzusetzen sind (das gilt nicht für entsprechende Vermächtnisse im Testament des Erblassers).
  • Rückständige oder noch nicht fällige Steuerschulden, soweit sie den Erblasser betreffen, nebst angemessenen Steuerberatergebühren. Ist der Erblasser in einer Ehe Alleinverdiener, trifft ihn die volle Einkommensteuerschuld.
  • Zugewinnausgleichsansprüche, wenn der überlebende Ehegatte nicht Erbe oder Vermächtnisnehmer wird.

Keine Passiva sind beispielsweise:

  • Kosten der Erbauseinandersetzung unter den Erben.
  • Kosten, die im Zusammenhang mit einem Testament entstehen. Beispiele: Kosten des Erbscheins oder der Testamentseröffnung.
  • Laufende Grabpflegekosten.
  • Erbschaftsteuern, Kosten der Erbschaftsteuererklärung und eines etwaigen Rechtsbehelfsverfahrens.
  • Latente Ertragsteuern.
  • Nachlaßverwertungs- und Verwaltungskosten.
  • Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche, soweit nicht bereits der Erblasser damit belastet war.
  • Vermächtnisse und Auflagen, soweit nicht bereits der Erblasser damit belastet war.
  • Zweifelhafte Schulden, § 2313 Abs. 2 BGB. Beispiel: Der Erbe streitet mit einem Nachlaßgläubiger über die Verjährung einer Nachlaßforderung. Sobald feststeht, daß die Forderung nicht verjährt ist, muß die Schuld vom Aktivnachlaß abgezogen werden. Der Pflichtteil wird neu berechnet. Ggfs. hat der Pflichtteilsberechtigte einen bereits erhaltenen überhöhten Pflichtteil zurückzuzahlen.

4. Pflichtteilsergänzungsansprüche

Zusätzlich zum Pflichtteil kann der Pflichtteilsberechtigte Pflichtteilsergänzungsansprüche haben. Die Höhe des Ergänzungsanspruchs wird bestimmt durch

  • die Pflichtteilsquote
  • den Wert der Schenkungen, die der Erblasser innerhalb der letzten 10 Jahre vor seinem Tod vorgenommen hat (bei Schenkungen unter Ehegatten ist die Frist während der Ehe gehemmt, ebenso bei Schenkungen unter wesentlichen Nutzungsvorbehalten wie Nießbrauch).

Achtung Pflichtteilsreformgesetz: Bei Erbfällen bis 31.12.2009 werden Schenkungen in voller Höhe berücksichtigt, wenn zwischen dem Erbfall und der Schenkung noch keine 10 Jahre verstrichen sind. Bei Erbfällen ab 1.1.2010 ersetzt ein Abschmelzungsmodell die starre 10-Jahres-Ausschlussfrist. Die Schenkung wird nur noch innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall vollständig, im zweiten Jahr nur noch zu 9/10, im dritten Jahr zu 8/10 usw. berücksichtigt. Zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten wird der für den Pflichtteil maßgebliche Schenkungswert also um jährlich 10 % abgeschmolzen. Das gilt auch für Schenkungen, die vor Inkrafttreten der Pflichtteilsreform am 1.1.2010 erfolgt sind. Der Gesetzgeber nimmt eine Rückwirkung auf alte Schenkungen in Kauf. Die Abschmelzungsfrist beginnt aber nicht, wenn sich der Erblasser bei der Schenkung ein wesentliches Nutzungsrecht (z. B. Nießbrauch) vorbehalten oder er eine Schenkung an seinen Ehegatten gewährt hat.