Eine Strategie zur Pflichtteilsaushöhlung ist, dass der Erblasser zu Lebzeiten rechtzeitig Immobilien verschenkt. Sind zwischen der Schenkung und dem Erbfall 10 Jahre verstrichen, scheiden Pflichtteilsergänzungsansprüche wegen der Schenkung grundsätzlich aus,
§ 2325 Abs. 3 BGB. Ausnahmen:
(1) Die Schenkung erfolgte an den Ehegatten des Erblassers. Dann beginnt die 10-Jahresfrist erst mit Beendigung der Ehe, also mit Scheidung oder Tod eines Ehegatten, §2325 Abs. 3 S. 3 BGB.
(2) Der Bundesgerichtshof hatte 1994 entschieden, dass eine Immobilienschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt nicht die 10-Jahresfrist in Gang setzt. Denn der Erblasserhabe die Immobilie dadurch wirtschaftlich nicht aus seinem Vermögen ausgegliedert. Er sei noch „Herr im Hause“. Danach kann eine auch Jahrzehnte zurückliegende Immobilienschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen. Fraglich ist, ob dies auch dann gilt, wenn der Erblasser keinen Nießbrauch hat, aber eine Leibrente erhält. Das ist streitig und vom Bundesgerichtshof noch nicht entschieden worden. Als erstes Obergericht hat das OLG Nürnberg (vom 27.06.2025 -
1 U 1335/24) entschieden, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hierfür entsprechend zu gelten hat, wenn sich die Leibrente nach den erzielten Netto-Mieteinnahmen der Immobilie richtet. Danach soll also auch die Vereinbarung einer solchen Leibrente nicht die Zehnjahresfrist nach § 2325 Abs.3 BGB in Gang setzen. Das OLG Nürnberg hat die Revision zum BGH zugelassen.
Praxistipp: In dem vom OLG Nürnberg entschiedenen Fall war die Vertragsgestaltung ungeschickt, da die Leibrente ausdrücklich auf die Netto-Mieteinnahmen abzielte. Insoweit liegt ein Vergleich mit einem Nießbrauchsvorbehalt nahe. Wenn die Leibrente aber nicht auf die Mieten abstellt, sollte die 10-Jahresfrist anlaufen und nicht gehemmt sein. Im Übrigen hat die Vereinbarung einer Leibrente stets den Vorteil, dass diese vom Schenkungswert abgezogen werden kann, sodass Pflichtteilsergänzungsansprüche gekürzt werden. Das ist bei einem Nießbrauchsvorbehalt anders. Rechtssicherheit wird nur eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs bringen. Bis dahin gilt: Jede Immobilienübergabe ist mit Blick auf mögliche pflichtteilsrechtliche Folgewirkungen akribisch zu prüfen.