Der Pflichtteil als Steuerfalle

Unser Erbschaftsteuerrecht sieht vor, dass Pflichtteilsansprüche erst dann besteuert werden, wenn sie geltend gemacht werden. In der Familie soll niemand gezwungen werden, den Pflichtteil geltend zu machen, nur um die darauf anfallende Erbschaftsteuer zu bezahlen. Besonders ist dies wichtig beim Berliner Testament, bei dem die Eltern sich gegenseitig zu Erben einsetzen und die Kinder erst beim zweiten Erbfall etwas erben. Machen die Kinder demnach, wie es von den Eltern ja gewollt ist, den Pflichtteil beim ersten Erbfall nicht geltend, so löst dies nach dem gesetzlichen Modell keine Erbschaftsteuer aus.

Anders ist dies nach einer neuen Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH vom 07.12.2016 – II R 21/14) allerdings, wenn zu einem Nachlass ein noch nicht geltend gemachter Pflichtteilsanspruch gehört. Dann unterliegt dieser vererbte Pflichtteilsanspruch selbst dann der Erbschaftsteuer, wenn er nicht geltend gemacht wird.

Hierzu ein Beispiel:

Eltern haben sich in einem Berliner Testament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Als der Vater verstirbt, hätte der Sohn einen Pflichtteilsanspruch, den er aber nicht geltend macht, um die Mutter zu schonen. Kurz nach dem Erbfall verstirbt der Sohn und wird von seiner eigenen Ehefrau beerbt. Diese muss auf den Pflichtteilsanspruch, der zum Nachlass ihres Mannes zählt, Erbschaftsteuer zahlen, auch wenn er nicht geltend gemacht wird.

Um ein solches Ergebnis zu vermeiden, sollte der Pflichtteilsberechtigte auf den Pflichtteil ausdrücklich verzichten, sobald er weiß, dass er ihn nicht geltend machen will. Ein solcher Verzicht ist steuerfrei (§ 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG) und vermeidet es, dass bei späterem Versterben des Pflichtteilsberechtigten der fiktive Pflichtteilsanspruch zu seinem Nachlass gehört und versteuert werden muss.