Neuregelung der steuerlichen Berücksichtigung eines häuslichen Arbeitszimmers verfassungswidrig!

Mit dem Jahressteuergesetz 1996 wurde in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG die
steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für ausschließlich betrieblich
oder beruflich genutzte häusliche Arbeitszimmer als Betriebsausgaben oder
Werbungskosten erstmals eingeschränkt. Eine Ausnahme vom grundsätzlich
geregelten Verbot des Abzugs solcher Aufwendungen galt danach dann, wenn die
betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 % der
gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeiten betrug oder wenn für die
betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung
stand. Eine unbeschränkte Abzugsmöglichkeit war darüber hinaus nur noch
zugelassen, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen
und beruflichen Tätigkeit bildete. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem
Urteil vom 07.12.1999 (BVerfGE 101, 297) die Verfassungsmäßigkeit dieser
Einschränkung bejaht.

Mit dem Steueränderungsgesetz 2007 wurde die Abzugsmöglichkeit weiter
eingeschränkt. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG erlaubt den Abzug der Aufwendungen
für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung nur noch, wenn
das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen
Betätigung bildet. Der Kläger des Ausgangsverfahrens, der beruflich als
Hauptschullehrer tätig ist, nutzte täglich für zwei Stunden ein ausschließlich
beruflich genutztes häusliches Arbeitszimmer. Die von ihm beantragte Zuweisung
eines Arbeitsplatzes in der Schule zur Vor- und Nachbereitung des Unterrichts
war vom Schulträger abgelehnt worden. Das Finanzamt ließ die vom Kläger in
seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 geltend gemachten Aufwendungen
für das häusliche Arbeitszimmer unberücksichtigt.

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit einer Mehrheit von 5:3
Stimmen entschieden, dass die Neuregelung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG gegen
den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt, soweit die Aufwendungen für ein
häusliches Arbeitszimmer auch dann von der steuerlichen Berücksichtigung
ausgeschlossen sind, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein
anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Der Gesetzgeber ist danach
verpflichtet, rückwirkend auf den 1. Januar 2007 durch Neufassung
des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen.
Die Gerichte und Verwaltungsbehörden dürfen die Vorschrift im Umfang der
festgestellten Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz nicht mehr anwenden, laufende
Verfahren sind auszusetzen.

(Auszug aus Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 29.07.2010)

Das
Urteil im Volltext