Ausländische Betriebsstättenverluste dürfen nur ausnahmsweise berücksichtigt werden

Der I. Senat des BFH hat in zwei Urteilen vom 09.06.2010 I R 100/09 und I R
107/09 darüber entschieden, wann ausländische Betriebsstättenverluste „final“
sind und deshalb im Inland abgezogen werden können.

Erwirtschaftet ein inländischer Steuerpflichtiger aus einer ausländischen
Betriebsstätte Verluste, dann kann er diese negativen Einkünfte im Inland mit
steuerpflichtigen positiven Einkünften regelmäßig nicht ausgleichen. Hat
Deutschland mit dem Betriebsstättenstaat ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)
abgeschlossen, sind die betreffenden negativen Einkünfte nämlich ebenso wie
positive ausländische Einkünfte im Inland üblicherweise steuerfrei. Diese
Steuerfreiheit ist dem Steuerpflichtigen bei positiven Einkünften von Vorteil,
bei negativen Einkünften jedoch von Nachteil.

Nach feststehender Rechtsprechung des Gerichtshof der Europäischen Union,
ehemals Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, verstößt diese
Benachteiligung von Auslands- gegenüber Inlandsverlusten im Grundsatz nicht
gegen die gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbote: Es ist auch
innerhalb der Europäischen Union allein Sache des Betriebsstättenstaats, die
freigestellten Auslandsverluste steuerlich zu berücksichtigen. Nur dann, wenn
diese Verluste „final“ werden, im Ausland also endgültig nicht berücksichtigt
werden können, tritt der Ansässigkeitsstaat insoweit ausnahmsweise an die Stelle
des Betriebsstättenstaats.

Unbeantwortet blieb bislang, wann von einer derartigen „Finalität“ der
Verluste gesprochen werden kann. Darüber hat der I. Senat des BFH nun
abschließend entschieden: „Final“ sind die Verluste nicht, wenn sie im
Betriebsstättenstaat aufgrund dessen Steuergesetzen vollständig oder nach Ablauf
eines Verlustvortragszeitraums vom Abzug ausgeschlossen sind. „Final“ sind sie
nur, wenn sie aus tatsächlichen Gründen nicht mehr berücksichtigt
werden können, beispielsweise bei Umwandlung der Auslandsbetriebsstätte in eine
Kapitalgesellschaft, der Übertragung der Betriebsstätte oder deren Aufgabe. Für
diese Fälle sind die Verluste im Inland sowohl bei der
Bemessungsgrundlage für die Einkommen- und Körperschaftsteuer als auch die
Gewerbesteuer (erst) in jenem Veranlagungs- oder Erhebungszeitraum
abzuziehen,
in dem die „Finalität“ feststeht.

Konkret ging es in beiden Urteilen um die negativen Einkünfte aus in
Frankreich unterhaltenen Betriebsstätten. In beiden Verfahren klagten
inländische Kapitalgesellschaften, in dem Urteil I R 100/09 ohne, in dem Urteil
I R 107/09 im Grundsatz mit Erfolg; erfolglos blieb die klagende GmbH hier nur
insoweit, als sie die Berücksichtigung der Auslandsverluste bereits im Jahr des
Entstehens dieser Verluste begehrte.

(BFH-Pressemitteilung vom 11.08.2010)

Das Urteil I R 100/09 und
das Urteil I R 107/09 im
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