Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz verfassungswidrig

Nach den Bestimmungen der §§ 15, 16, 17 und 19 ErbStG i. d. F. nach dem
Jahressteuergesetz 1997 vom 20.12.1996 (ErbStG a. F.) wurden eingetragene
Lebenspartner nach Schaffung des Rechtsinstituts der Lebenspartnerschaft im
Jahre 2001 erbschaftsteuerrechtlich erheblich höher belastet als Ehegatten.

Während Ehegatten nach § 15 Abs. 1, § 19 Abs. 1 ErbstG a. F. der günstigsten
Steuerklasse I unterfielen und abhängig von der Höhe des Ererbten Steuersätze
zwischen 7 % und 30 % zu entrichten hatten, waren Lebenspartner als „übrige
Erwerber“ in die Steuerklasse III eingeordnet, die Steuersätze von 17 % bis zu
50 % vorsah. Zudem gewährte § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG a. F. Ehegatten einen
persönlichen Freibetrag in Höhe von 600.000 DM / 307.000 € und § 17 Abs. 1
ErbStG a. F. einen besonderen Versorgungsfreibetrag in Höhe von 500.000 DM /
256.000 €. Eingetragenen Lebenspartnern stand demgegenüber aufgrund ihrer
Einordnung in die Steuerklasse III lediglich ein Freibetrag in Höhe von 10.000
DM / 5.200 € zu (§ 16 Abs. 1 Nr. 5, § 15 Abs. 1 ErbStG a. F.). Von der
Vergünstigung des Versorgungsfreibetrags waren sie gänzlich ausgeschlossen.

Mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24.12.2008 sind die vorgenannten
Vorschriften des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes zu Gunsten von
eingetragenen Lebenspartnern insoweit geändert worden, als der persönliche
Freibetrag sowie auch der Versorgungsfreibetrag für erbende Lebenspartner und
Ehegatten gleich bemessen werden. Allerdings werden eingetragene Lebenspartner
weiterhin wie entfernte Verwandte und Fremde mit den höchsten Steuersätzen
besteuert. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Jahressteuergesetz
2010
vom 22.06.2010 ist eine vollständige Gleichstellung von
Lebenspartnern und Ehegatten im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrecht – also
auch in den Steuersätzen – beabsichtigt.

Der Beschwerdeführer … ist Alleinerbe seines im August 2001 verstorbenen
Lebenspartners; die Beschwerdeführerin … Erbin ihrer im Februar 2002
verstorbenen Lebenspartnerin. In beiden Fällen setzte das Finanzamt die
Erbschaftsteuer nach einem Steuersatz der Steuerklasse III fest und gewährte den
geringsten Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG a. F. Die hiergegen
erhobenen Klagen der Beschwerdeführer blieben vor den Finanzgerichten ohne
Erfolg.

Auf ihre Verfassungsbeschwerden hat der Erste Senat des
Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die erbschaftsteuerrechtliche
Schlechterstellung der eingetragenen Lebenspartner gegenüber den Ehegatten im
persönlichen Freibetrag und im Steuersatz sowie durch ihre Nichtberücksichtigung
im Versorgungsfreibetrag mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)
unvereinbar ist. Die Beschlüsse des Bundesfinanzhofs sind aufgehoben und die
Sachen an diesen zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen worden. Der
Gesetzgeber hat bis zum 31.12.2010 eine Neuregelung für die vom
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz a. F. betroffenen Altfälle zu
treffen, die die Gleichheitsverstöße in dem Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten
des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher
Gemeinschaften vom 16.02.2001 bis zum Inkrafttreten des
Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24.12.2008 beseitigt.

(Auszug aus Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 17.08.2010)


Das Urteil im Volltext