„… Und bin so klug als wie zuvor!“

Worum ging es? Das deutsche Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht legt der Bemessung der Steuer unterschiedliche Bemessungsregeln zugrunde. Bei unbebauten privaten Grundstücken sind es 80 Prozent vom Grundstückswert, bei bebauten gilt meist der Ertragswert (ca. 50 bis 60 Prozent vom Verkehrswert), Betriebsvermögen knüpft an die Steuerbilanzwerte an, bei Barvermögen wird der nominale Wert zugrunde gelegt, bei Wertpapieren der Börsenkurs oder die stichtagsnahen Verkaufspreise. Alle diese Differenzierungen haben ihren Sinn, denn es ist schon aus gemeinnützigen Gründen vernünftig (und gerecht), z. B. Immobilien oder Betriebe beim Verschenken oder Vererben steuerlich zu privilegieren. 

Dem machte jedoch der Bundesfinanzhof mit seinem Beschluß vom 22. Mai 2002 (II R 61/99, BStBl. II 2002, 598) einen Strich durch die Rechnung, indem er das System der unterschiedlichen Bewertungsgrundlagen wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz für verfassungswidrig erklärte, und diese Meinung hat nun das Bundesverfassungsgericht in dem vorgenannten Beschluß bestätigt. 

Warum herrscht trotz einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung allgemeine Verwirrung, warum wissen die Bürger trotz des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts nicht, was sie tun sollen? Vermögen auf die Kinder übertragen: ja oder nein, wann, was, wieviel? Der entscheidende Grund für die Orientierungslosigkeit liegt darin, daß das Bundesverfassungs-gericht zwar eine Vereinheitlichung der Bewertungsgrundlagen fordert, indem für die Bemessung der Schenkung- und Erbschaftsteuer in Zukunft im Kern immer der Verkehrswert zugrunde gelegt werden soll, auf einer zweiten Stufe dann aber doch Begünstigungen zuläßt. Das Gericht spricht von sog. „Verschonungsregelungen“, und diese können sehr vielfältig sein: geringere Steuersätze, höhere Freibeträge, auch ließen sich bestimmte Gegenstände gänzlich von einer Besteuerung ausnehmen. 

Nur nützt das dem Bürger zunächst einmal nichts, denn wie diese Privilegierungen imeinzelnen aussehen, darüber schweigt sich das Verfassungsgericht aus. Reichlich nebulös heißt es lediglich, daß der Gesetzgeber „Lenkungsziele … ausgestalten“ dürfe, und zwar – so wörtlich – „in Form zielgenauer und normenklarer steuerlicher Verschonungs-regelungen“. Mit derlei kann der Gesetzgeber nichts anfangen, der Bürger ohnehin nicht. Das einzige, was man konkret erfährt, ist, daß das bisherige Recht bis zur Neuregelung, die spätestens bis zum 31. Dezember 2008 getroffen werden muß, fortgilt. Aber die entscheidende Frage für den Bürger ist doch, was das neue Recht bringen, ob und inwiefern es günstiger oder ungünstiger als das geltende sein wird. Nur wenn sich diese Frage beantworten läßt, kann der Bürger eine fundierte Entscheidung darüber treffen, ob er jetzt eine lebzeitige Vermögensübertragung vornimmt oder besser nicht. 

Lange schon stehen wir in unserem Land, was die Schenkung- und Erbschaftsteuer betrifft, auf unsicherem Grund, denn fast fünf Jahre hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf sich warten lassen. Nun liegt sie auf dem Tisch, aber an dem Zustand der Unsicherheit hat sich nichts Wesentliches geändert. Wird es bei der 80-Prozentregel für unbe-baute Grundstücke bleiben? Vor allem, wie werden bebaute Grundstücke in Zukunft bewertet? Das Bundesverfassungs-gericht erklärt das derzeitige vereinfachte Ertragswertverfahren für „strukturell ungeeignet“. Mehr erfährt man nicht. Kommt ein sog. modifiziertes Ertragswertverfahren oder das früher schon einmal diskutierte Wohn-/Nutzflächenverfahren? Wie wird man Erbbaurechte oder Grundstücke, die im Zustand der Bebauung verschenkt oder vererbt werden, bewerten? Welche Belastungen kommen auf die Erwerber land- und forstwirtschaftlichen Vermögens zu?