Selbstgenutztes Wohneigentum: Steuergeschenk mit Fußangeln

Die Härten der neuen Erbschaftsteuer sollen für Ehepartner und Kinder durch eine Steuerbefreiung für selbstgenutztes Wohneigentum gemildert werden. Seit gestern liegt der Gesetzestext vor. Dr. Anton Steiner, Fachanwalt für Erbrecht in München und Vorstandsmitglied des Deutschen Forums für Erbrecht, analysiert die Tücken der Neuregelung

A) Steuerbefreiung für den überlebenden Ehegatten (eingetragenen Lebenspartner) 

Schon seit Jahrzehnten gilt, daß man dem Ehegatten die selbstgenutzte Wohnimmobilie steuerfrei (und ohne Anrechnung auf Freibeträge) schenken kann, nunmehr soll diese Steuerbefreiung auch beim Erwerb von Todes wegen gelten, allerdings mit Einschränkungen: 

Für die Steuerbefreiung gelten zwei Voraussetzungen, einmal beim Erblasser und einmal beim überlebenden Ehegatten:

a) Der verstorbene Ehegatte muß die Immobilie bis zum Erbfall zu eigenen Wohnzwecken genutzt haben oder daran aus zwingenden Gründen gehindert gewesen sein. Dieses Kriterium wird sicher zu Auslegungsstreitigkeiten und Finanzgerichtsprozessen führen: Wie gebrechlich muß der Erblasser gewesen sein, damit ein Umzug in ein Alten- oder Pflegeheim „zwingend“ erforderlich war? Muß der zwingende Grund schon beim Auszug aus der Immobilie vorgelegen haben oder genügt es, wenn er erst danach eingetreten ist? Wie sehen zwingende wirtschaftliche Gründe aus? Muß man beispielsweise eine Musterkalkulation aufstellen, mit der man belegen kann, daß der Erblasser die Immobilie vermieten mußte, um nach Umzug in eine günstigere Wohnung noch genügend Geld für seinen angemessenen Lebensunterhalt zu haben? 

b) Der überlebende Ehegatte (eingetragene Lebenspartner) muß die geerbte Immobilie mindestens 10 Jahre lang weiter bewohnen, sonst muß er die Steuer nachentrichten. War die Immobilie vom Erblasser „aus zwingenden Gründen“ nicht selbst bewohnt, so muß der Ehegatte unverzüglich einziehen. (Bei einer vermieteten Immobilie wird es wohl genügen, wenn er sofort die Eigenbedarfskündigung ausspricht.) 

Die 10-Jahres-Frist gilt wiederum nicht, wenn der erbende Ehegatte aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung gehindert ist. Ein solcher Grund ist sein Tod (seine Erben müssen die Steuer also nicht nachzahlen), problematisch sind wiederum gesundheitliche Gründe oder wirtschaftliche Notwendigkeiten. Hier wird es sich empfehlen, vor dem Auszug beispielsweise ein ärztliches Attest einzuholen oder andere Beweise zu sammeln, damit man der Finanzverwaltung den zwingenden Grund darlegen kann. 

Bei der Testamentsgestaltung wird darauf zu achten sein, daß der überlebende Ehegatte die Immobilie allein und nicht in Erbengemeinschaft mit den Kindern erhält, da nur er die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen kann. 

B) Steuerbefreiung für Kinder 

Damit Kinder oder die Kinder verstorbener Kinder in den Genuß der Steuerbefreiung kommen, gelten noch engere Voraussetzungen: 

a) beim Erblasser
Hier gilt wiederum, daß er die Immobilie bis zum Tod selbst genutzt haben muß oder aus „zwingenden Gründen“ daran gehindert war. 

b) beim Kind
Das überlebende Kind muß unverzüglich in die Immobilie einziehen und dort 10 Jahre lang wohnen bleiben, sonst entfällt die Steuerbefreiung rückwirkend. 

Die Steuerbefreiung gilt nicht, soweit die Immobilie eine Wohnfläche von mehr als 200 qm hat (der Gesetzentwurf läßt offen, nach welcher der verschiedenen Methoden dies zu berechnen ist). 

Eine Härteklausel gibt es nicht, es ist also nicht relevant, ob das Kind aus zwingenden Gründen an der Selbstnutzung gehindert ist. 

Bei der Testamentsgestaltung ist zu beachten, daß bei mehreren Kindern die Steuerbefreiung nur dem zugute kommt, welches das Haus auch selbst nutzt. 

Bewertung des Reformvorschlags: 

Vor dem Hintergrund, daß der Gesetzgeber an seinem Modell festhält, bei der Erbschaftsteuer mit hohen Steuersätzen und vielen Ausnahmen zu arbeiten, ist der Versuch, die Härten für Ehegatten und Kinder zu mildern, zu begrüßen. Abzulehnen ist aber der Eingriff in die persönliche Lebensgestaltung der Beteiligten, der mit der 10-jährigen Selbstnutzungsfrist verbunden ist.