BGH: Enkel ist trotz Pflichtteilsverzicht und anschließender Erbeinsetzung eines Elternteils pflichtteilsberechtigt

Ein Enkel des Erblassers ist pflichtteilsberechtigt, wenn ein Elternteil zwar auf sein Erb- und Pflichtteilsrecht als Kind des Erblassers verzichtet, jedoch vom Erblasser testamentarisch zum Alleinerben eingesetzt wird. 

In dem Fall, den der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 27. Juni 2012 (Az. IV ZR 239/10) nun so entschieden hat, machte eine Frau nach dem Tod ihres Großvaters Pflichtteilsansprüche gegenüber ihrer Mutter, der Alleinerbin, geltend. 

Diese hatte Jahre vor dem Tod ihres Vaters auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet. Nach dem Tod seiner Frau setzte der Erblasser sie dann aber in einem Testament zu seiner Alleinerbin ein. Nachdem er verstorben war, verweigerte die Tochter ihrem eigenen Kind, der Enkelin, deren Pflichtteil. Die Begründung: Nach § 2309 BGB ist das Pflichtteilsrecht des entfernteren Abkömmlings – also z. B. des Enkels des Erblassers – ausgeschlossen, wenn der nähere Abkömmling – das Kind des Erblassers – den Pflichtteil verlangen kann oder eine entsprechende Zuwendung annimmt. 

Ein Fall des § 2309 BGB war hier dem BGH zufolge aber nicht gegeben: Durch den Erb- und Pflichtteilsverzicht, so die Begründung der Richter, gelte die Tochter des Erblassers als vorverstorben. Folglich sei die Enkelin in die gesetzliche Erb- und Pflichtteilsfolge eingerückt und habe damit auch Pflichtteilsansprüche. Daß der Erblasser seine Tochter zur Alleinerbin eingesetzt habe, ändere an diesem Ergebnis nichts. Denn bei dem Erbe handele es sich nicht um eine Zuwendung im Sinne des § 2309 BGB. Mit dieser Vorschrift habe der Gesetzgeber verhindern wollen, daß innerhalb eines Stammes zweimal ein Pflichtteil gewährt würde. Eine solche Vervielfältigung der Pflichtteilslast sei hier aber gerade nicht gegeben.