Erbschaftsteuerreform: Den Gordischen Knoten durchschlagen!

I. Ausgangslage

Laut Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts muß das neue Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht spätestens am 1. Januar 2009 in Kraft getreten sein, andernfalls entfallen Erbschaft- und Schenkungsteuer, was allerdings keine Regierung hindert, später ein neues Gesetz auf den Weg zu bringen. Die Koch/Steinbrück-Kommission hat einen Entwurf erarbeitet, der in einen Regierungsentwurf mündete. Dieser stößt jedoch auf breite Ablehnung, die Fronten sind total verhärtet, ein Ausweg derzeit nicht ersichtlich. Grund: Im Kern sind es Ideologien, die aufeinanderstoßen. Die Regierungskoalition steht vermutlich in ihrer schwierigsten Belastungsprobe. Die Gräben dürften tiefer sein, als es nach außen dringt. Die Positionen reichen vom Wunsch nach viel stärkerer Belastung des Vermögensübergangs bis zur gänzlichen Abschaffung der Erbschaftsteuer.

Um aus dieser verfahrenen Lage herauszukommen, unterbreitet die größte Erbrechtsinstitution Europas, das Deutsche Forum für Erbrecht, einen neuen Vorschlag. Danach bleibt es bei der Erbschaftsteuer, sie wird aber wesentlich vereinfacht und führt zu notwendigen Entlastungen der Bürger.

II. Grundsätze

Ein vernünftiges Erbschaftsteuerrecht muß folgende

Zehn Grundsätze
beachten:

  1. Eigentum und Vermögen basieren auf Leistung und haben in der Regel mehrfache Besteuerung hinter sich. Wenn der Eigentümer etwas verschenkt oder vererbt, so geht dies den Staat daher im Grundsatz nichts mehr an. Belastung bereits versteuerten Eigentums ist im Kern Vergesellschaftung. 
  2. Der Schutz des Eigentums rechtfertigt daher weder unter dem Gesichtspunkt der Vermögenskonzentration noch unter dem des sogenannten leistungslosen Erwerbs eine Umverteilung. Das gilt um so mehr, als sich Vermögenskonzentrationen wegen ihres Investitionspotentials für die Allgemeinheit häufig als segensreich auswirken. Von einem leistungslosen Erwerb kann in vielen Fällen nicht die Rede sein, denn die Bildung von Vermögen geschieht in der Regel unter großen Opfern der ganzen Familie. Die Erbschaftsteuer läßt sich daher nur rechtfertigen mit dem Gedanken eines sozialen Solidarakts.
  3. Die Erfahrung lehrt: Übertriebene Erbschaftsteuer mindert den Anreiz, Eigentum zu bilden. Gegenteilige Beteuerungen beruhen auf Praxisblindheit.
  4. Trotz des gesellschaftlichen Wandels bilden die Familien eine unverzichtbare Säule unserer Gemeinschaft. Eine Familie ist ein generationenübergreifender Verbund. Das aus ihm resultierende Verantwortungsgefühl für einander leidet, wenn Vermögensübergänge innerhalb dieses Verbunds übertriebenen staatlichen Zugriffen unterliegen. Die Steuer muß auch widerspiegeln, daß Geschwister, Neffen und Nichten zur engsten Familie zählen.
  5. Unser gesamtes Staatswesen steht und fällt mit erfolgreichen Unternehmen. Sie zu erhalten und zu pflegen muß das Ziel der Politik sein. Das bedeutet zugleich: Für den Staat ist es zweitrangig, ob der Vater oder der Sohn den Betrieb führt, Hauptsache, der Betrieb bleibt erhalten (Arbeitsplätze!). Der Unternehmensübergang von den Eltern auf die Kinder erfordert daher äußerste steuerliche Zurückhaltung.
  6. Übermäßige steuerliche Angriffe auf das Vermögen bringen ganze Wirtschaftszweige zum Erliegen. Einer unserer wichtigsten Bereiche, die Baubranche, bekommt dies schon jetzt zu spüren. Denn Immobilienvermögen wird von den Bürgern nicht zuletzt aufgrund der Erbschaftssteuer mehr und mehr als Belastung empfunden. 
  7. Die Bauern sorgen für unsere Ernährung und pflegen unser Land. Eine Erbschaftsteuer, die von der Übernahme des Betriebs abschreckt, ist das Letzte, was wir gebrauchen können.
  8. Die Schaffung von Vermögen über Generationen hinweg ist auch ein Akt der Vorsorge. Wo jedoch die Erbschaftsteuer die Zerschlagung von Vermögen bewirkt, wird oft staatliche Fürsorge nötig, die wiederum die Gemeinschaft belastet. 
  9. Übertriebene Erbschaftsteuer führt zu Kapitalflucht ins Ausland. Das erleben wir schon jetzt, was uns allen Schaden zufügt. 
  10. Ein Steuersystem muß praktikabel sein. Was der jetzt vorliegende Regierungs¬entwurf sowohl vom Bürger als auch von der Finanzverwaltung verlangt, können beide nicht leisten. Die Kosten der Steuerermittlung werden für den Staat so hoch sein, daß der Aufwand nicht lohnt. Das gilt insbesondere für die Pläne der Regierung bei der Betriebsnachfolge. Sie basieren auf einem vollkommen übertriebenen Mißtrauen gegen das Unternehmertum.

III. Neue Freibeträge und Steuersätze

Der Regierungsentwurf wird in vielen Fällen zu deutlich höherer Erbschaft- und Schenkungsteuer führen als bisher. Grund: Zwar ist eine Anhebung der Freibeträge geplant, sie gleicht aber vielfach nicht den Nachteil aus, daß in Zukunft stets der volle Verkehrswert des verschenkten oder vererbten Gegenstands zugrunde zu legen ist. Seriöse Berechnungen ergeben, daß die Bemessungsgrundlage speziell beim Betriebsvermögensübergang das 18-fache des jetzigen Werts erreichen kann.

Um den vorgenannten zehn Grundsätzen Rechnung zu tragen, bedarf es daher höherer Freibeträge und niedrigerer Steuersätze. 

750.000 EURfür den Ehepartner / eingetragenen Lebenspartner
600.000 EURfür Kinder und Stiefkinder
600.000 EURfür Enkelkinder / Stiefenkelkinder, wenn der die Verwandtschaft vermittelnde Elternteil (das Kind des Erblassers) bereits verstorben ist
200.000 EURfür alle anderen Enkel und Stiefenkel
100.000 EURfür alle Urenkel
400.000 EURfür Eltern und Großeltern im Erbfall
300.000 EURfür Eltern und Großeltern im Schenkungsfall, für Geschwister, Neffen und Nichten, Stiefeltern, Schwiegerkinder, Schwiegereltern und deren geschiedene Ehepartner
100.000 EURfür alle übrigen Erwerber

Die Anhebung der Bemessungsgrundlage auf die Verkehrswerte erfordert auch eine Entschärfung der Steuersätze. Hier sollte folgendes gelten:

Wert des steuerpflichtigen Erwerbs (also nach Abzug der Freibeträge) bis einschließlichSteuerklasse ISteuerklasse IISteuerklasse III
100.000,00 EUR51012
300.000,00 EUR71215
1.000.000,00 EUR91418
über 1.000.000,00 EUR111621

IV. Erbschaftsteuer bei Betriebsnachfolge

Die Anhebung der Bemessungsgrundlage auf die vollen Verkehrswerte, der Schutz der Unternehmen und die Notwendigkeit einer für alle Seiten praktikablen Regelung veranlassen das Deutsche Forum für Erbrecht zu folgendem Reformvorschlag:

  1. Rückkehr zum im Jahr 2007 von der Koch/Steinbrück-Gruppe bereits formulierten sogenannten Stundungs- und Abschmelzungsmodell, allerdings mit folgender Modifikation:Für jedes Jahr der Betriebsfortführung erhält der Unternehmensnachfolger endgültig und unwiderruflich eine Befreiung von 20 % der Erbschaft- oder Schenkungsteuer, so daß die Steuer nach fünf Jahren ganz entfällt. Das bedeutet: Wird der Betrieb z. B. nach vier Jahren aufgegeben, bleibt es bei dem für die ersten vier Jahre bereits eingetretenen Wegfall der Steuer.
  2. Die geplante Lohnsummenklausel, nach der zehn Jahre lang in jedem Jahr mindestens 70 % der Ausgangslohnsumme aufrechterhalten bleiben müssen, entfällt.
  3. Gleiches gilt für die Forderung, den Betrieb mindestens 15 Jahre lang mit 100 % des Ausgangsbetriebsvermögens fortführen zu müssen.
  4. Aufgegeben werden sollte auch der Unterschied zwischen dem sogenannten Verwaltungsvermögen und dem übrigen Betriebsvermögen. Die Unterscheidung ist nicht sinnvoll, da fraglos auch Verwaltungsvermögen (z. B. Immobilien) eine wichtige Funktion für unsere Wirtschaft besitzt. Davon abgesehen ist eine Abgrenzung von Verwaltungsvermögen und übrigem Betriebsvermögen nicht sauber durchzuführen.
  5. Betriebe mit bis zu 10 Angestellten sollten von der Erbschaft- und Schenkungsteuer ganz befreit sein. 
  6. Der notwendige Schutz der Unternehmen erfordert es, wie nach geltendem Recht auch in Zukunft einen besonderen Betriebsvermögensfreibetrag vorzusehen. Vor allem wegen der z. T. sicher drastischen Anhebung der Bemessungsgrundlage auf die vollen Verkehrswerte ist auch der Betriebsvermögensfreibetrag spürbar anzuheben, sinnvollerweise in prozentualer Abhängigkeit vom Verkehrswert des übergegangenen Unternehmens. Das Deutsche Forum für Erbrecht schlägt zur Vermeidung uferloser Steuerbelastung vor, daß der Betriebsvermögensfreibetrag immer 50 % des übergangenen Unternehmensverkehrswerts beträgt. 
  7. Darüber hinaus sollten großzügige Stundungsregelungen eingeführt werden, da häufig die liquiden Mittel fehlen, die Erbschaft- oder Schenkungsteuer zu zahlen.